Stuttgart/Filderstadt, 04.11.2020
Mit Impfserum über den Wolken
Die Charter-Firma ProAir fliegt Fracht und Passagiere. Corona ändert die Nachfrage.
In einem Spezialkoffer haben die Piloten der Firma ProAir 25 Kilogramm Diamanten transportiert. „Bei dieser wertvollen Fracht war es besonders herausfordernd, für die Sicherheit zu sorgen“, sagt Andreas Wald. Der Manager des Charter- und Logistikunternehmens ist gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie immer wieder mit Notfällen konfrontiert. Wenn solche Transporte zwischen Afrika und Europa dann auch noch besonders schnell abgewickelt werden müssten, gelte es, in kurzer Zeit ungewöhnliche Lösungen zu finden. Auch Impfserum hat die Firma von den Fildern schon in die USA geflogen. Da kommt es auf eine gute Kühlung an.
„Wir haben inzwischen eine eigene Flugzeugflotte aufgebaut“, sagt Thomas Godau. Die erleichtere es seinem Unternehmen, schnell reagieren zu können, wenn dringend eine Maschine gebraucht wird. Die Piloten sind bei der Firma fest angestellt und haben die entsprechende Pilotenlizenz. Ein Automobilhersteller aus der Region etwa habe eine Transportmaschine für längere Zeit reserviert. „Das kommt immer noch erheblich günstiger, als wenn die Bänder fünf Stunden lang stehen bleiben, weil Lieferketten reißen.“
Im Frachtbereich gebe es nach wie vor viel zu tun, sagt Godau. „Der Kunde muss sich bei uns aber auch darauf verlassen können, dass die Ware pünktlich am Zielort ist.“ Deshalb muss mit der Zollabwicklung und mit den Papieren alles klappen. „Und wir sind 24 Stunden am Tag erreichbar“, sagt Markus Ciravegna. Eben mal schnell zwischendurch duschen geht bei ihm nicht, wenn er Bereitschaftsdienst hat. „Wenn ein Kunde gerade dann anruft und uns nicht erreicht, sucht er sich ein anderes Unternehmen“, erklärt der Manager, der sich um die Geschäftsentwicklung kümmert.
Mit dem Helikopter ins Werk
Oft gehe es darum, spontan eine neue Maschine zu finden, die für das jeweilige Frachtgut passt: „Darum kümmern wir uns zu zweit oder gar zu dritt.“ Denn das erfordere viel Koordination – und vor allem ein gutes Netzwerk. Ciravegna erinnert sich an die Anfänge seiner Tätigkeit bei ProAir vor mehr als 20 Jahren. Da wurden dringend Kabelbäume aus Polen gebraucht. „Wenn der Transport vom Flughafen ins Werk schnell gehen muss, laden wir solche Güter am Flughafen auch in den Helikopter um.“ Denn oft sei die Autobahn 8 auf den Fildern einfach voll.
Die ständige Anspannung reizt den Manager Andreas Wald an seinem Arbeitsfeld in der Luftfracht-Logistik. Angefangen hat ProAir mit Frachttransporten. „Dann kamen die Kunden darauf, dass es wirtschaftlicher ist, ihre Mitarbeiter mit Privatflugzeugen auf Geschäftsreisen zu schicken“, sagt der Experte. Das gelte vor allem dann, wenn es keinen direkten Linienflug gibt. „Zeit ist Geld“, weiß Thomas Godau. Deshalb sei es oft absolut unwirtschaftlich, auf den nächsten Linienflug zu warten. „Wenn dann eine gecharterte Maschine bereit steht, kommen die Mitarbeiter schneller ans Ziel.“
Fußballteams wie den VfB oder den 1. FC Heidenheim fliegt das Charterunternehmen ebenfalls. Vom Spiel des VfB Stuttgart gegen den FC Barcelona in der Champions League vor zehn Jahren schwärmt Ciravegna noch heute. „Zu dem Spiel im Stadion Camp Nou in Katalonien kamen nicht nur das Team, sondern auch 1.600 Fans mit.“ Sieben Boeing 757 mit jeweils 220 bis 250 Sitzplätzen habe man damals gebucht. 2019 hat er die USA-Reise eines Fußballteams organisiert: „Mit allem Drum und Dran.“ Seit März 2020 gebe es solche Events nicht mehr.
Privatflug ins Ferienhaus
Wie hat die Corona-Pandemie die Arbeit des Charterunternehmens verändert? „Weil es weniger Linienflüge gibt, haben wir mehr Urlaubsreisende.“ Wer die entsprechenden finanziellen Mittel besitze, fliege privat ins Ferienhaus nach Mallorca, berichtet Andreas Wald von der veränderten Nachfrage.
Edle Automobil-Präsentationen oder Pressereisen gebe es nicht mehr. Dafür ließen mehr Firmen Geschäftsreisende mit dem Privatjet fliegen. In Corona-Zeiten lasse sich so die Infektionsgefahr verringern. „Oft haben Fluggesellschaften die Linie ja gestrichen.“ Was Reisebeschränkungen und Quarantäneregeln angeht, muss er stets auf Ballhöhe sein, damit Kunden ins Zielland reisen dürfen. Schön findet es Wald, wenn er und sein Team Kranken helfen. „Vor Jahren brachte eine Crew ein lebenswichtiges Medikament auf die Insel La Réunion im Indischen Ozean.“ Auch das gehöre zum Geschäft.
Esslinger Zeitung vom 4. November 2020 (Elisabeth Maier)
Fotos ©Rudelfotos (Horst Rudel und Ines Rudel GbR)